Corona Virus Not To Do List (Teil 1): Verstaatlichung des Impfstoffs

Stellen wir uns vor, ein kleines, von einem Venture Capital Fonds finanziertes Biotech Unternehmen entwickelt einen Impfstoff. Wieviel darf der Impfstoff kosten? Wieviel Gewinn darf das Unternehmen machen? Der politische Impuls wird ein Patentbruch sein, um das Medikament schnell und zu geringen Kosten allen Menschen zugänglich zu machen. Technisch nennt man das „take or leave it compensation“, d.h. das Unternehmen hat die Chance, dem Patentbruch zuzustimmen und ihn gegen ein Entgelt zu legalisieren, oder gar keine Entschädigung zu bekommen. Vor diese Entscheidung gestellt bleibt Unternehmen gar keine Wahl. An ethischen Begründungen (Meinungen von „gescheiten Menschen“, statt wissenschaftlich belegbarer Argumente) wird es nicht mangeln, aber es wäre ein wahrscheinlich tödlicher Fehler. Erklären wir also nicht dem Virus den Krieg, sondern setzen wir ein Kopfgeld auf seinen Tod aus!

Medizinische Forschung braucht Kapitalgeber

Die Entwicklung eines Medikaments / Impfstoffs ist ein hochriskantes Unterfangen. Nur wer zuerst den Impfstoff entwickelt und alle Zulassungstests besteht, wird das ganz große Geschäft machen. Die Wahrscheinlichkeit erfolgreich zu sein ist für jedes einzelne Unternehmen gering. Sollte noch zeitgleich ein zweiter Wettbewerber auf den Markt kommen, werden beide kein Geld verdienen da der resultierende Preiswettbewerb (Bertrand Wettbewerb) alle Gewinne vernichtet bzw. den Anbieter mit höheren Produktionskosten aus dem Markt drängt. Hinzu kommt das Risiko von Schadensersatzklagen, sollte der Impfstoff oder das Medikament unbekannte Nebenwirkungen entfalten. Wer sollte also hochriskante Forschung finanzieren?

Der Kapitalismus rettet Leben

Rechnen wir ein stark vereinfachtes Beispiel durch. Nehmen wir an, ein Impfstoff kostet in der Entwicklung 200 Millionen Euro. Die Erfolgswahrscheinlichkeit beträgt 1%, d.h. mit 99% Wahrscheinlichkeit ist die Investition von 200 Millionen verloren. Ist es sinnvoll, wenn ein Beamter (der nicht an den Verlusten beteiligt ist) über die Viabilität solcher Projekte entscheidet, oder wollen wir, dass der Kapitalmarkt diese Risiken marktfähig und teilbar macht? Im obigen Beispiel beträgt der Barwert der Mindestgewinne für einen risikoneutralen Anleger 20 Milliarden Euro. Wenn aber 100 Unternehmen gleichzeitig an dem Impfstoff forschen, muss der erwartete Gewinn noch einmal höher sein. Jetzt sind nämlich die Unternehmensgewinne nicht mehr unabhängig (Nebenbemerkung: Pooling funktioniert nicht mehr). Finden beispielsweise 3 Unternehmen zeitgleich einen Impfstoff, dann reduziert der Wettbewerb die erwarteten Gewinne, d.h. die Unternehmen werden nicht 3 mal 20 Milliarden Gewinn machen, sondern zusammen weniger als 20 Milliarden.

Staatsversagen: Medizinische Forschung braucht Vielfalt und Wettbewerb

Forschung ist ein kreativer Prozess. Lösungen, die ein staatlicher Experte als wenig erfolgsversprechend verwirft, bekommen vom Markt für Risikokapital eine von Null verschiedene Chance. Gegenwärtig scheinen viele unterschiedliche Ansätze möglich: Lebendimpfstoffe mit Vektorviren, Totimpfstoffe mit Virusproteinen oder Genbasierte Impfstoffe. Vielleicht liegt aber unsere Rettung in einem Medikament, das gerade erst von einem Startup außerhalb staatlicher Förderung entwickelt wird. Die Idee, der Staat könne die Pharmanindustrie im Finden von Impfstoffen / Medikamenten ersetzen, ist bizarr.
Selbst wenn ein einzelner Staat den Impfstoff erfolgreich finden sollte, löst das nicht das Problem. Dieser Staat wird zuerst seine eigene Bevölkerung schützen wollen und erst dann anderen Staaten Zugang gewähren – sicher im Austausch für politische Gefälligkeiten (stellen wir uns nur vor, China hätte den Impfstoff zuerst entwickelt). Der Markt bedient alle und zwar ohne Ansehen von Religion, Philosophie, Alter oder Geschlecht. Wem das Produkt am meisten wert ist und wer daher die höchste Zahlungsbereitschaft hat, wird zuerst Zugang erhalten. Dazu mehr im nächsten Abschnitt.

Optimale Preisbildung (die wir nie sehen werden)

Es wird Zeit kosten, den zu produzierenden Impfstoff über die Welt zu verteilen. Nicht alle können gleichzeitig Zugang erhalten. Wir benötigen daher einen anreizoptimalen Verteilungsmechanismus, der eine bestmögliche Versorgung der Bevölkerung sicherstellt. Dies liefert dem Impfstoffhersteller eine ideale Form der Preisdifferenzierung, bei der im Gegensatz zur Monopollösung alle Zugang erhalten, die einen Preis oberhalb der Grenzkosten zu zahlen bereit sind. Die ersten Einheiten Impfstoffe werden zu einem sehr hohen Preis angeboten. Wir können uns das als Auktion vorstellen. Teilnehmer an der ersten Auktion sind wahrscheinlich nur Milliardäre und Regierungen (im Interesse ihrer Ärzte und Hochrisikogruppen). Mit jeder neu produzierten Einheit wird er Preis sinken, weil die marginale Zahlungsbereitschaft sinkt. Ein 80-jähriger wird sich genau überlegen, ob er eine Million für einen Impfstoff zahlt, der ihm ein Leben bis zu seiner statistischen Lebenserwartung gewährt, oder ob er es lieber seinen Kindern vererbt. In der Alternativwelt des staatlichen Patentbruchs erhält er die Impfung kostenlos (genauer auf Kosten des schnelleren Zugangs anderer) und vererbt die Million. In Summe ist durch die Preisdifferenzierung der Gewinn des Impfstoffherstellers maximiert (noch größer als in der Monopolsituation ohne zeitliche Preisdiskriminierung) und es bekommen mehr Menschen Zugang zum Impfstoff als in der Monopolsituation.

Zusammenfassung

Hohe Preise verhindern unter Umständen den Zugang von nicht mehr zahlungsfähigen Bevölkerungsgruppen zu lebenswichtigen Impfstoffen und Medikamenten. Preiskontrollen und Patentbrüche verhindern aber den zukünftigen Zugang für alle! Profitgier ist kein schönes Motiv. Es ist aber das wirksamste Motiv, das Ökonomen kennen. Man muss diese Argumentation nicht mögen, aber dieser Argumentation zu folgen, erfordert eigentlich nur, die Welt anzuerkennen, wie sie ist. Rational und am Eigeninteresse orientiert. Dies wird man nicht mal mit Umerziehungslagern im Sinne von Piketty ändern. Die Krise heute legt die Erwartungen für die Zukunft. Diese Erwartungen bestimmen das zukünftige Handeln wirtschaftlicher Akteure und entscheiden so über Leben und Tod. Der Eingriff des Staates in die Preisbildung von Medikamenten reduziert die Bereitschaft des Kapitalmarkts und der Pharmaindustrie zu finanzieren bzw. zu erforschen. Das ist schon jetzt so, nur sehen wir es nicht. Es kostet bereits heute Leben.