Pogo in Togo, Corona in Ancona. Der wilde Tanz durch die Institutionen geht weiter. Verschwende niemals eine Krise! Nach diesem Vorsatz nutzt Italien die Corona Pandemie, um doch noch eine Vergemeinschaftlichung europäischer Staatsschulden zu erreichen. Europäische Solidarität statt inneritalienische Solidarität. An den Argumenten gegen Gemeinschaftsschulden hat auch die Corona Krise nichts geändert. Corona Bonds zielen darauf, die Budgetrestriktion einzelner Staaten nicht mehr binden zu lassen, die fiskalische Disziplin des Kapitalmarktes auszusetzen und die Bonität Deutschlands zu verschlechtern. Diesmal ist alles anders, lautet der gefährliche Narrativ: Italien sei unverschuldet in die Krise gekommen, das Instrumentarium solle nur einmalig genutzt werden und außerdem wird Deutschland profitieren, wenn sich Italien schnell erholt. Stimmen diese Argumente oder ist dies eigentlich nur eine Scheindiskussion, die Rom und Berlin eigentlich ganz recht sein kann?
Unverschuldet verschuldet?
Die Corona Pandemie war kein schwarzer Schwan. Nach Spanischer Grippe, Hongkong-Grippe, Ebola, und SARS war es nur eine Frage der Zeit, wann der nächste Virus ankommen würde. Wissenschaftliche Veröffentlichungen, in denen genau das heutige Szenario vorhergesagt wurde, gab es lange vor Covid-19. Dennoch ging Italien in diese Krise mit maximal fehlender Vorbereitung. Mit einem unterinvestierten Gesundheitswesen und ohne finanzielle Rücklagen. Man hat sich auf den Landsmann Draghi und sein prinzipienloses „whatever it takes“ verlassen. So hat Vorsorgesparen („precautionary saving“) nicht stattgefunden. Jede Krise hätte den mangelnden fiskalischen Spielraum Italiens offenbart, weil es Italien seit Bestehen der EU nicht geschafft hat, von den für das Land viel zu niedrigen Zinsen zu profitieren und Schulden abzubauen. Dafür blüht die Schattenwirtschaft wie in keinem anderen Land. Diese bricht jetzt besonders schnell zusammen und der Verschuldungsgrad Italiens kann leicht auf 170 bis 180 Prozent steigen.
Niemand außer Italien ist daran schuld. Durch diese Krise kommen Länder mit starken Staatsfinanzen und glaubwürdigen Zentralbanken am besten. Erkauft wurde dies durch geringeren Konsum. Doch selbst jetzt ist Italien keineswegs der Zugang zu den Kapitalmärkten verwehrt. Der implizite Schutz der EZB, den Spread zwischen Italien und Deutschland nicht zu stark auseinander laufen zu lassen, sichert Italien geringere Zinskosten als außerhalb einer Währungsunion. Das scheint Rom nicht genug zu sein.
Einmal ist keinmal?
Zentrale Elemente in wirtschaftlichen Interaktionen sind Glaubwürdigkeit und Erwartungsbildung. Handlungen heute legen die Erwartungen für zukünftige Krisen und nehmen wirtschaftlichen Akteuren unter Umständen Glaubwürdigkeit und damit zukünftige Handlungsfähigkeit. So behauptet Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft: „Man ist in anderen, besonderen Zeiten“. Das stimmt, aber das ist man in jeder Krise. Lässt man jetzt eine Vergemeinschaftlichung von Schulden durch, wird man es in jeder Krise wieder tun müssen. Was hätte sich denn geändert? Diese Antizipation reduziert nicht nur schon heute jeden Anreiz zu Vorsorgesparen, sondern setzt auch den Anreiz, möglichst viel (Neu-)Schulden einzugehen. Teilt man die Rechnung im Lokal, bestellt sich so mancher ein extra großes Steak und vielleicht ein Dessert, auf das man sonst verzichtet hätte. Im Kern korrigiert man die Idee der europäischen Union für immer.
Vorteilhaft für Deutschland?
Herr Fratzscher vom DIW meint, dass es für Deutschland und Europa vorteilhaft sei, wenn sich Italien schnell erholt. Das ist sicher so. Asymmetrische Erholungen von Volkswirtschaften sind zum Nachteil eines unvollkommenen Währungsraums wie des Euro. Es ist aber zuerst einmal im ureigenen Interesse Italiens, so schnell wie möglich einen wirtschaftlichen und medizinischen Neustart zu erreichen. Hierzu hat Italien alle Möglichkeiten. Der Zugang zum Kapitalmarkt ist (dank der EZB) Italien nicht verwehrt. Und wer wirklich glaubt, dass einmalige Regelbrüche keine Auswirkungen auf Erwartungen haben, der muss für eine einmalige Vermögensabgabe in Italien (erzwungene inneritalienische Solidarität) stimmen. Dazu ist Italien nicht bereit. Das Vermögen der anderen ist immer attraktiver. Aus meiner Sicht: Italien blufft! Eine Androhung, die eigene Wirtschaft nicht unterstützen zu können/wollen, ist unglaubwürdig und irrational.
Scheindiskussion
Geht es wirklich um Leben und Tod wie Conte behauptet? Draghi und Lagarde haben die Bürger Deutschlands schon längst haftbar gemacht. Ohne demokratische Legitimation hat die EZB die Vergemeinschaftlichung ohnehin schon erzwungen. Der gezielte Ankauf italienischer Staatsanleihen lässt alle Bürger Europas haften. Zahlt Italien seine Anleihen nicht zurück, wird dies entweder durch gestiegene Inflation oder reduzierte Zentralbankgewinne ausgeglichen. Daran gib es keinen Zweifel. Fast könnte man meinen, die Diskussion in den Medien um Corona-Bonds sei inszeniert, um von diesem Tatbestand abzulenken.
Fazit
Die Bürger Italiens verdienen es nicht, an einer unfähigen Regierung zu sterben. Wir müssen ihnen alle mögliche medizinische Hilfe gewähren und Hilfsgüter und Hilfspersonal kostenlos zur Verfügung stellen. Auch das setzt keine guten Anreize, aber in der akuten Situation sind Menschenleben wichtiger. Zudem würde es den Bürgern Italiens die Augen öffnen, wer sie hintergeht. Maßnahmen zum Schutz italienischer Unternehmen (Aktionäre) kann und muss Italien selbst finanzieren. Das Vermögen hierzu hat Italien. Stattdessen sollten Gelder für die medizinische Versorgung in Entwicklungs- und Schwellenländer fließen. Dort werden diese tatsächlich gebraucht.
Interessant zu erfahren, dass Italien tatsächlich genügend Vermögen hätte; was macht die Regierung denn gerade damit??
Liebe Grüße