Die ESG Bewegung jubiliert. Viele Unternehmen (Blackrock, Goldman Sachs, …) behaupten nun entsprechend dem Zeitgeist, dass die Position von Milton Friedman (MF) widerlegt sei und sie sehr wohl andere Ziele (Gemeinwohl statt Unternehmenswohl) als Gewinnmaximierung (MF’s Shareholder-Kapitalismus) besitzen. Verfehlt MF den Praxistest?
Warum beugen sich Unternehmen schlechter Rhetorik und ungenügenden Argumenten? Es ist wahrscheinlich wie in meiner Schulzeit. Mein damals immer noch langhaariger Deutschlehrer, der seine Frau in Wackersdorf kennengelernt hatte, war von seiner Weltanschauung nicht abzubringen. Es war nicht klug ihn zu verärgern. Jeder Schüler hatte das Spiel verstanden. Schreib was er hören will und mach am Nachmittag was Du willst. Das machen junge Chinesen und Russen noch heute so. Unternehmer wollen nicht recht haben, sondern reich werden. Sie passen sich an und machen das, was jeder Nutzer auf linked in auch tut: “likes“ auf alle politisch korrekten Beiträge verteilen.
Die Position von Milton Friedmann
Das Maxim des Shareholder Value war lange Zeit der Imperativ in Unternehmenszentralen und ernstzunehmenden Business Schulen. Durch die ESG Bewegung kommt er unter Druck. Unternehmen fangen an, öffentlich dem Shareholde Value abzuschwören und wollen soziale Ziele als auch Umweltziele aufnehmen. Lange Zeit hat Milton Friedman (MF) die Debatte mit diesem Zitat dominiert:
“So the question is, do corporate executives, provided they stay within the law, have responsibilities in their business activities other than to make as much money for their stockholders as possible? And my answer to that is, no they do not.”
MF argumentiert in seinen Texten, dass es im langfristigen Gewinnmaximierungsinteresse der Eigenkapitalgeber ist, alle anderen Stakeholder (Kunden, Mitarbeiter, Zulieferer, FK-Geber) so gut zu behandeln, wie es für die Gewinnmaximierung gerade noch notwendig ist. Dabei sind Umweltüberlegungen oder die Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen kein Widerspruch zur Gewinnmaximierung. Unternehmerisch relevant ist alles, was zukünftige (marginale) Cash-Flows beeinflusst, egal aus welchem Grund.
Beispiel: Banken (für manche die schlimmsten Kapitalisten) tun alles, damit sich ihre Mitarbeiter wohl fühlen. Aus ureigenem Interesse! Lichtinseln, hauseigene Barrista, Reinigung, Kita, Luxusgym, Lebensversicherung, Private Krankenversicherung, kostenlose Taxis ab 22.00 Uhr – nicht unüblich für Top Investmentbanken. Unzufriedene Mitarbeiter machen keine Gewinne. Dies resultiert nur in Arbeitsverweigerung, hohen Krankheitsständen, Such- und Friktionskosten sowie in höheren Lohnforderungen der nächsten Kohorte. Der Gewinn für den Aktionär sinkt. Vordergründige Ethik spielt hier keine Rolle.
Die Logik von Milton Friedman in der Realität
- Shell, 1998. Die Firma Shell hatte beim Bau einer pipeline auf den Phillipinen Ureinwohner in erheblichen Umfang entschädigt, obwohl sie rechtlich nicht – in diesem Umfang – verpflichtet gewesen wäre. Eine schöne Geste? Ein Fall ethischen Handels? Sorge um die lokale Community? Liegt MF falsch, weil Unternehmen schon längst ethisch handeln, d.h. ist MF gar nicht mehr relevant?
Nein, denn das Vorgehen von Shell war nur eine emotionslose Übung in Barwertrechnung. Eine Projektverzögerung durch langwierige Prozesse wäre teurer geworden als eine „großzügige Entschädigungszahlung“. Es war gewinnmaximal, den Weg über Entschädigung statt über Gerichte zu gehen. Die Ureinwohner und ihre Anwälte wussten das wahrscheinlich auch. - Deutsche Bank, 2005. Die Deutsche Bank hatte durch Herr Dr. Ackermann persönlich und sehr öffentlichkeitswirksam im Fernsehen einen 10 Millionen Scheck für die Überlebenden der Tsunami Katastrophe übergeben. Ein plötzlicher Anfall von Empathie?
Vielleicht. Ökonomisch beurteilt aber waren 10 Millionen ein geringer Preis für einen Werbeauftritt der deutschen Bank zu allerbester Sendezeit in der Tageschau (inkl. der folgenden Medienberichterstattung). Und auch Herr Ackermann kam gut weg, konnte er sich doch persönlich als Banker mit sozialem Gewissen im Fernsehen zeigen. Für den Aktionär ein eher unkomfortabler Gedanke.
In keinem der beiden Fälle opferten die Beteiligten mehr als sie an höherer Kompensation erhielten. So fällt Ethik leicht. Alles machte für Shell, Ackermann und die Deutsche Bank ökonomischen Sinn. MF hätte gelächelt.
Gewinnmaximierung versus alternative Ziele
Wie oben festgehalten, beinhaltet die Maximierung des ökonomischen Gewinns (Nettobarwert einer Investition) in einem wettbewerblichen Markt weder die Ausbeutung von Arbeitnehmern noch den Betrug am Kunden. Die Idee des Shareholder Value stellt dagegen sicher, dass die Interessen aller(!) Aktionäre bestmöglich vertreten sind. Das ist das Ergebnis des Fisher/Hirshleifer Theorems: Auch wenn sich Aktionäre in ihren sozialen oder Konsumpräferenzen unterscheiden, so können sie doch den Gewinn zielsicherer direkt für die Anliegen ihrer Wahl einsetzen als es das Unternehmen könnte. Das Unternehmen kennt nicht die Präferenzen der Vielzahl ihrer ständig wechselnden Eigentümer. Es gibt mehr Möglichkeiten Gutes zu tun als Aktionäre. Mancher möchte Vollwaisen in Deutschland unterstützen. Er wird dann nicht erfreut sein, wenn gegen seine Präferenzen Teile des Gewinns vor Ausschüttung für Projekte gegen eine Abholzung des Regenwalds verwendet werden. Wie soll darüber abgestimmt werden?
An der Maximierung des ökonomischen Gewinns eines Unternehmens sind aber beide in gleicher Weise interessiert, da es ihnen die maximalen Mittel für ihre Ziele liefert! Zudem muss jedem klar sein, dass der Aktionär der ultimative Träger des residualen Risikos ist. Wenn ein Unternehmen in Konkurs geht, verliert der Anteilseigner sein gesamtes Finanzkapital. Der Arbeitnehmer behält weitgehend sein Humankapital und sucht sich einen neuen Arbeitgeber.
Warum üben sich dann so viele Unternehmen in links/grüner ESG Rhetorik?
In einer Welt, in der Unternehmen verstehen, wie real die Gefahr einer links/grünen Ökodiktatur ist, wie schnell man in einen shitstorm oder Produktboykott geraten kann (mit entsprechender Auswirkung auf den Wert der eigenen Marke), ist es barwertnegativ anzuecken. Man wird alles vermeiden, linken Parteien Futter für Wahlerfolge zu geben und man wird sich schon jetzt auf das schlimmste Szenario vorbereiten (in den USA Sanders, in Deutschland Habeck), natürlich im Interesse der Eigenkapitalgeber, und daraus abgeleitet auch der Mitarbeiter. Der Kapitalismus lernt schnell zum Wohle aller.
Klasse, Bernd! Du bringst es auf den Punkt.