Für einen Libertarier sind Staatseingriffe schwer zu ertragen. Pandemien bilden aber eine der wenigen intellektuell zu rechtfertigenden Ausnahmen. Hier sind schnelle, entschlossene und konsequente Staatseingriffe notwendig. Warum? Weil Pandemien ein Lehrbuchbeispiel für Externalitäten sind! Wer nur mit milden Krankheitsverläufen zu rechnen hat, besitzt keinen Anreiz sich selbst testen zu lassen (und die Unannehmlichkeiten einer Quarantäne und längeren sozialen Distanzierung zu ertragen). Warum auf die wichtige Geschäftsreise in ein Risikogebiet verzichten, wenn die eigenen Symptome gering sind? Dadurch kann der Reisende leicht zum „superspreader“ werden, der indirekt für den Tod anderer verantwortlich ist. Die Chinesen haben das verstanden. Sie haben jedem positiv getesteten ein Handgeld gegeben und die Bewegungsfreiheit massiv eingeschränkt.
Wer bei einer täglichen Wachstumsrate der Infizierten von 30% nur drei Tage zögert ist, für doppelt so viel Tote verantwortlich. Zögerlichkeit tötet.
Keine Panik?
Das Problem bei der frühzeitigen Eindämmung von Pandemien ist nicht, dass Menschen in Panik verfallen, sondern dass sie zu wenig Angst haben. Beschwichtigende und gegen alle bekannten Fakten verstoßenden Worte der Politik wie „ist wie Grippe“ haben zu sorglosem Verhalten geführt, das sicher auch für den Anstieg der Infektionszahlen verantwortlich ist. Es ist ermutigend zu sehen, dass nicht alle so langsam denken wie Politiker. Die Absage von Spielen in der Fußball-Bundesliga ist Geisterspielen vorzuziehen, da sich sonst „Fans“ – zusammenpresst – das Spiel in Kneipen angesehen hätten.
Keine Planung
Behörden und Krankenhäuser besitzen weder die notwendigen Ressourcen noch die fertigen Notfallpläne, um mit der Krise umzugehen. Testmöglichkeiten werden improvisiert. Jedes Krankenhaus erfindet seine eigene Regelung. Alles wird ad hoc erfunden. Keine Regelung ist konsistent. Hier hat Förderalismus keinen Platz. Es genügt, wenn einer einen Fehler macht!
Planlosigkeit gilt auch im Bereich der Finanzmarktaufsicht. Stress Tests für Banken sollen 2022 auch ESG Risiken beinhalten. Pandemien sind dagegen nicht berücksichtigt. Ein intellektueller Offenbarungseid grüner Gesinnungspolitik. Ob aus dem Pandemieschock auch ein Finanzmarktschock wird ist noch offen. Die Möglichkeit besteht. Entweder über Unternehmenszusammenbrüche, die Löcher in wenig profitable und unterkapitalisierte europäische Banken reißen, oder über einen klassischen “run auf cash“.
Keine Entschlusskraft
Die deutsche Politik hat das exponentielle Wachstum des Corona Virus massiv unterschätzt. Der zeitliche Vorsprung, den ein Ausbruch im entfernten China geliefert hat, wurde nicht genutzt. Offene Flughäfen und Grenzen haben neue Infektionsketten aufgemacht. Im Ergebnis konnten alle zu uns reisen, wir aber nun nicht mehr aus Deutschland. Intelligentere Regierungen im Ausland haben das erkannt und lassen richtigerweise keine Deutschen mehr in ihr Land. Zu hoch ist die Wahrscheinlichkeit, eine infizierte Person einreisen zu lassen.
Aus den Erfahrungen in Asien mit vorangehenden Virus Ausbrüchen wurde ebenfalls nicht gelernt. Gegen eine Pandemie hilft nur massives Testen und soziale Isolation. Ein shutdown wie in Italien wird kaum mehr zu verhindern sein. Das Dementi von Herrn Spahn wird ihm noch auf die Füße fallen. Der Staat wird seiner Aufgabe nur nachkommen können, wenn die Bürger ihm vertrauen. Während in Taiwan 1800 Teams mit je 5 Mitglieder die Infektionsketten zurückverfolgen, kann man nur erahnen, wie in Deutschland die lokalen Gesundheitsämter versuchen, dem potentiell Infizierten hinterher zu telefonieren, wenn die entsprechende Halbtagsmitarbeiterin nicht gerade aufgrund von Schwangerschaft fehlt. Die Landesregierungen (vor allem Berlin) haben viel zu lange gezögert, Schulen und Kindergärten zu schließen (das Ausland und Bundesländer wie Bayern haben deutlich schneller entschieden). Jetzt hat man sich nur durch diesen „peer pressure“ endlich auch dazu durchgerungen.
Kein moralischer Kompass
Der zynische Konflikt zwischen Gesundheits- und Wirtschaftsminister wurde in der wenig verständlichen Regelung, nur Veranstaltungen über 1000 Teilnehmer abzusagen, für die Ewigkeit dokumentiert. Es war nicht an den gesundheitlichen Erfordernissen (Das Frühlingsfest des Swinger Clubs mit 200 Mitgliedern hätte also stattgefunden), sondern an wirtschaftlichen Interessen orientiert.
Sicher ist es ein Opfer für junge Menschen, außerhalb der Risikogruppen auf ihr Nachtleben zu verzichten. Sie geben etwas auf. Es dürfte aber kaum zu vergleichen sein mit den Opfern, die Menschen mittleren Alters jeden Monat erbringen, wenn fast 50% ihres Einkommens an den Staat gehen. Von dieser Gruppe erwartet man jeden Monat, dass sie etwas aufgibt und gesellschaftliche Verantwortung durch progressive Besteuerung übernimmt!
Das Corona Virus wird zeigen, wie zynisch unsere Gesellschaft ist. In der Konsequenz wird aber jeder neu bewerten, wieviel er der Gesellschaft schuldet. Das ist sicher.