Deutsche Medien und Talkshows überschlagen sich in ihren eingeschliffenen Reflexen, und bei Herrn Habeck könnte man meinen, er wolle die Mathematik abschaffen, nur weil Herr Höcke sagt, dass 2 plus 2 gleich 4 ist. Hier der Versuch einer rationalen Analyse.
Frage 1: War die Wahl schändlich?
Die von den Wirtschaftswissenschaften entwickelte Theorie der “rational choice” hat 70 Jahre vor den Landtagswahlen in Thüringen das Ergebnis der Wahl vorausgesagt. Das Ergebnis lautet: Bei einer einfachen Mehrheitswahl mit 3 (oder mehr) Kandidaten wird man nur dann entsprechend der eigenen Präferenzen wählen, wenn der eigene Kandidat die Wahl auch gewinnen kann. Kann er das sicher nicht, wird man das kleinere Übel mit der höheren Siegwahrscheinlichkeit (in Thüringen Siegsicherheit!) wählen. Niemals wird man für den am präferenzfernsten Kandidaten stimmen. Siehe dazu: Downs (1957), An Economic Theory of Democracy, New York: Harper and Row.
Politologen sprechen dabei oft von einer unaufrichtigen Wahl. Für den Ökonom hat der Wählende lediglich seinen Erwartungsnutzen in rationalem Selbstinteresse maximiert. Der Ökonom weiß, dass das Streben nach “first best” (aus Sicht der AFD: AFD Mann gewinnt) Lösungen oftmals nicht zu “second best“ (FDP Mann gewinnt) Lösungen, sondern zu “third best” Lösungen (Linker gewinnt) führt. Der Literaturzweig hierzu heißt “strategic voting” und ist ein Subfeld der Theorie rationalen Entscheidens.
Die Wahl war nicht nur rechtlich einwandfrei, sondern auch rational und damit in höchstem Maß erwartbar. KEINE der beteiligten Parteien sollte sich verwundert zeigen. Wer an strategischem Wählen Anstoß nimmt, dem muss man sagen, dass strategisches Wählen im deutschen Wahlrecht fest verankert ist (Erst- und Zweitstimmen…) und von der Politik oft zu strategischem Wählen aufgerufen wird. Natürlich nur, wenn es der eigenen (moralisch überlegenen) Sache hilft.
Frage 2: War die Annahme der Wahl schändlich?
Zuerst einmal liegt es nicht in der Verantwortung des Gewählten, wer ihn wählt (in einer geheimen Wahl auch nicht zu kontrollieren), wenn vorher keine Absprachen oder Zugeständisse gemacht wurden. Das war nicht der Fall. Das Ergebnis wäre eine liberal geführte Minderheitsregierung gewesen, die bei allen wirtschaftsliberalen Abstimmungspunkten mit der Unterstützung der AFD hätte rechnen können. Im Ergebnis würde man den wirtschaftsliberalen Teil der AFD herausfiltern und diesen Flügel innerparteilich stärken. Der Demokratie (nicht den Linken) wäre damit ein Gefallen getan. Gefahr würde nur dann drohen, wenn sich die Minderheitsregierung zu menschenverachtenden Zugeständnissen der AFD hätte zwingen lassen. Davon ist nicht auszugehen.
Bemerkenswert ist, dass die Nichtannahme einer Wahl in Modellen des strategischen Wählens nicht vorkommt. Dies ist vielleicht eine Schwäche dieser Einperiodenmodelle, die den eventuellen Reputationsschaden in wiederholten Wahlen (Spielen) nicht einbezieht. Lässt man das „n“ in schändlich weg, kommt man auf schädlich. War die Annahme der Wahl also schädlich? Aus meiner Sicht ein klares Nein. Person und Sache sind immer zu trennen, auch wenn Herr Habeck am liebsten die Mathematik abschaffen würde, wenn Herr Höcke 2+2 = 4 rechnet. Rational ist anders, aber die Macht überwiegend linkslastiger Medien ist leider real.
Frage 3: Was war schändlich?
Zum ersten die Wahl von zwei Parteien mit menschenverachtenden Aussagen. Linke wie der völkische Flügel stehen sich in nichts nach. Nationalsozialistisches Gedankengut hat in einer liberalen Gesellschaft nichts zu suchen. Andererseits hat der Sozialismus ebenfalls große Probleme mit Freiheits- und Menschenrechten und vom Sozialismus inspirierte Führer in Russland und China haben einen ganz traurigen “track record”. Nicht der Kapitalismus, sondern der Sozialismus tötet! Die Frage: „Was ist schlimmer – Rechts- oder Linksextreme?“ wird in einem meiner nächsten Blogbeiträge behandelt werden.
Zweitens ist die mangelnde Vielfalt der deutschen Presse zu beklagen. Große Medien treten inhaltlich sehr parallel auf. Divergierende Meinungen waren unmöglich zu finden, auch in den Medien, die zu Meinungsvielfalt verpflichtet sind! Es ist leider in Deutschland so weit gekommen, dass man in die Auslandspresse schauen muss, um einen ausgewogenen Blick zu erhalten.
Drittens sind Bedrohungen der Familie Kemmerichs (stellvertretend für alle involvierten Politiker, und ich meine ALLE!) nicht hinnehmbar.